Hinterher ist man immer schlauer. Warum kann man nicht schon vorher viel schlauer sein? Oder wenigstens schneller, eloquenter, pointierter? In Sachen Schlagfertigkeit gilt: Vorbereitung ist alles, und es ist nicht nur eine Kopfsache!
Diese Begegnung werde ich immer im Gedächtnis behalten: mein allererstes Konzert. Ich war 16 und erlebte ein wahres Rock-Konzert-Feuerwerks-Spektakel mit Metallica live in der Berliner Waldbühne. Seitdem gehören Metallica zu meinen Idolen und ewigen Lieblingsbands (wenngleich Metallica-Songs nicht zu meiner Alltags-Playlist gehören). Und dann kam es noch heftiger: einige Jahre später durfte ich Metallica als Studiogäste in der MTV-Show „Select“ live im deutschen Fernsehen interviewen! Und was haben die Rocker mich zusammengefaltet! Gar nicht mal böswillig, sie hatten einfach nur ihren Spaß einen jungen, unerfahrenen TV-Moderator zur Schau zu stellen - alles in Englisch, live. Wahrscheinlich meinten James Hetfield, Lars Ulrich und die anderen Bandmitglieder es in Wahrheit gar nicht böse, sie hatten bloß ihren Spaß in ihrem Rockstar-Life und ich hatten jeglichen Humor irgendwo in der hintersten Gehirnecke verloren.
Heute denke ich noch oft daran zurück; wie peinlich, ich wollte im Boden versinken und niemand konnte mir in dieser Interviewsituation helfen, wie auch? Schlagfertig musste ich schon selbst sein. In der Zwischenzeit habe ich in Sachen Schlagfertigkeit eine Menge dazu gelernt. Und es ist seitdem sehr interessant für mich zu beobachten, wie Leute es nahezu perfekt schaffen, auf den Punkt schlagfertig zu sein, egal in welcher Situation. Das bewundere ich. Wie schaffen die das bloß? Und wieso sind diese Leute immer dann schlagfertig, wenn es tatsächlich drauf ankommt und nicht erst hinterher?
Ob im Alltag oder im Berufsleben, jeder will auf den Punkt schlagfertig sein. Laut Wikipedia ist Schlagfertigkeit „die ‚entwaffnende’ Reaktion auf sprachliche ‚Angriffe‘, sie verrät Intelligenz und Geistesgegenwart“ - damit ist schon alles erklärt ;) Eigentlich. Natürlich kann man sich wochenlang mit diesem Thema beschäftigen;. Es gibt bei Amazon 334 aufgelistete Bücher zu „Schlagfertigkeit“ und Google spuckt 344.000 Suchergebnisse aus. Allerdings reicht m Grunde ein 3-Punkte-Plan. Dieser besteht aus dem, was wir schon besitzen: Körper, Emotionen, Verstand. Es braucht nicht mehr (Ok, Übung natürlich, aber die bekommt man automatisch von allein), wenn man den Plan einfach im Hinterkopf behält.
Für mehr Schlagfertigkeit sind drei Dinge wichtig:
1. Körper
Mitunter das wichtigste Element ist ein sicherer Stand. Nicht ohne Grund heißt es Standfestigkeit, Standpunkt und Widerstand. Besseres Standing erlangt man durch gute Balancefähigkeit, Reaktion und Entspannung. Schlagfertigkeit, auf den Körper bezogen, ist also eine Wechselspiel aus z.B. Schlittschuhlaufen (ausgewogenes Balancegefühl), Squash (exzellentes Reaktionsvermögen) und Meditation (ein Gefühl von gelöster Entspannung).
Eine Schlittschuhläuferin, die gerne Squash spielt und regelmäßig meditiert ist, zumindest rein körperlich, prädestiniert, deutlich schlagfertiger zu sein. Sie kommt weniger ins Straucheln, hat wohl kaum schlotterige Knie und so schnell stößt sie etwas nicht um. Aber man muss nicht zur Sportskanone mutieren, um Schlagfertigkeit-Weltmeister zu werden - es reicht schon ein aufrechter Gang, Schultern nach hinten, Brustkorb nach vorne, ohne dass es arrogant wirkt, mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehen und das Atmen nicht vergessen.
2. Emotionen
Ich beobachte, auch an mir selbst, dass wir Menschen es nur ganz schwierig schaffen, auf unsere Gefühle zu hören, geschweige denn diese zuzulassen. Dabei sind es Emotionen, die uns in unserer Schlagfertigkeit behindern: ärgerliche Gefühle wie Angst, Scham und Schuld blockieren.
Meistens hilft es auf seine innere Stimmen hören, auf sein Bauchgefühl zu vertrauen; die ersten Gedanken sind oft die besten, um authentisch und schlagfertig zu reagieren. Da ist natürlich alles leichter gesagt als getan, aber die Routine macht einen zum Meister - und Situationen, in denen wir verbal punchen müssen, gibt es im Job und Alltag unendlich viele. Zu verstehen, den inneren Weg zu Herz, Seele und Geist immer frei zu halten, lässt die Angst verschwinden! Kein Hokuspokus-Spirituell-Zeug, wirklich. In den Situationen, in denen wir uns die größtmögliche Schlagfertigkeit wünschen, spielen unsere Emotionen verrückt, sie lassen sich nur schwer kontrollieren und kaum sortieren, dennoch ist es möglich, Gefühle in Kraft umzuwandeln, und da kommt der nächste Punkt ins Spiel:
3. Verstand
Mit dem Verstand sortieren wir, was konkret zu tun ist, um möglichst schlagfertig zu reagieren. Mit klarem Verstand kann ich beispielsweise auf Zeit spielen. „Wie bitte? Hab ich das gerade richtig verstanden?!“ ist eine Reaktion, in der mein Gegenüber, das mich gedisst oder auf dem Flur zwischen den Büros mit unpassendem Spruch angefahren hat, schon mal die heiße Luft aus den Segeln geblasen bekommt. Besonders unangenehm wird es für den Anfahrer, wenn ich straight Augenkontakt halte und nachhake: „Jetzt muss ich noch mal nachfragen, wie meinst Du das jetzt genau?“. Jegliche Angriffslust sollte nun so gut wie abgeflaut sein. Ich erinnere mich auch noch gut an die Reaktion einer Bekannten, die während ihrer Studienzeit etwas Geld mit Kellnern dazuverdiente. Sie, jung und attraktiv, konterte auf solche Herren-Sprüche wie: „Na, wie wär’s denn nachher mit uns beiden?“ oft mit: „Wie heißt Du? Kommst von hier oder vom Lande? Welche ist Deine Lieblingsfarbe? Was für Musik hörst Du? Und spannt Dein Shirt immer so oder liegt es gerade nur an unserem fetten Kuchen?“.
Wenn der Verstand mal einen nicht so gut performen lässt, hilft auch oft, den Raum zu verlassen. Es gibt kaum etwas schlagfertigeres, als während eines Meetings, wenn der Chef durchdreht und cholerisch einen vor versammelter Mannschaft zusammenfaltet, einfach ganz cool aufzustehen und das Büro zu verlassen. So verschafft man sich Zeit, um sich zu sortieren und sich Klarheit zu verschaffen, wie man weiter reagieren könnte. Ein geordneter Rückzug kann eine wunderbare Möglichkeit sein, Dampf aus dem Kessel zu nehmen - und nebenbei bewahrt man sich auch davor, etwas zu tun und/oder zu sagen, was hinterher Leid tut.
"…und was ist mit Humor?"
Es geht nicht darum, auswendig gelernte Witze abzuspulen oder sinnlos drauf los zu gackern, sobald man verbal eine mitbekommen hat - sei es auf dem Flur zwischen den Office-Räumen oder am Postschalter vis à vis dem schlecht gelaunten Beamten. Eine Möglichkeit, in Drucksituationen gefasst zu bleiben, könnte ein extrem übertrieben breites grinsen sein mit der Reaktion: „Ich habe doch tatsächlich verstanden, Du meintest, ich wäre fett geworden!“. Oder, getreu dem Motto „Wer fragt, der führt“ einfach als Frage formulieren: „Bin ich wirklich sooooo fett geworden?“.
Auch mit Selbstironie gewinnt man weitere Schlagfertigkeit-Skills. Mein Radio-Freund Patrick Lynen hat festgestellt: "Selbstironische Menschen nehmen sich selbst nicht allzu wichtig, können Dinge relativieren und auch mal über sich selbst lachen. Selbstironie ist ein wichtiger Indikator für Eloquenz, Sprechgewandtheit und Abstand - die Humor-Farbe der Wendigen."
Wenn Dich also mal jemand so anfährt: „Du bist echt das Allerletzte!“, kontere doch einfach mit: „Stimmt, das Beste kommt immer zum Schluss.“ :)
Ich bin zertifizierter Personal & Business Coach sowie Podcast-Produzent und Berater - freue mich auf dein Feedback!